Sexualisierte Gewalt in buddhistischen Gemeinschaften

Viel ist in den letzten Jahren über sexualisierte Gewalt in geschlossenen Gruppen gesprochen und geschrieben worden. Auch in der evangelischen Kirche sind Vorfälle sexualisierter Gewalt zu beklagen. Zu Recht haben daher im Juni 2020 die 20 evangelischen Landeskirchen beschlossen, eine umfassende Aufarbeitungsstudie in Auftrag zu geben. Kaum beachtet worden ist bislang allerdings das Thema „Sexualisierte Gewalt in buddhistischen Gemeinschaften“. Michael Utsch widmet sich dem nun in einer Studie.

Michael Utsch
Teilansicht Person: diese sitzt mit angezogenen Knien und bloßen Füßen an eine Mauer gelehnt, die Hände umfassen die Beine

In den letzten Jahren ist die Aufklärung über sexualisierte Gewalt in geschlossenen Gruppen verbessert worden. Nach den öffentlich gewordenen Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche im Jahr 2010 setzte die Bundesregierung das Amt eines bzw. einer Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) ein. Die ersten 11 Jahre übte das Amt Christine Bergmann aus, seit Dezember 2011 leitet Johannes-Wilhelm Rörig diese Kommission. Wesentliche Aufgaben des Amtes sind die Information, Sensibilisierung und wissenschaftliche Erforschung und Aufklärung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Außerdem will das Amt Kinder und Jugendliche besser vor sexualisierter Gewalt schützen und Hilfen für betroffene Minderjährige bieten. Dazu hat der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung in den letzten mit zahlreichen Verbänden Selbstverpflichtungs- und Kooperationsvereinbarungen geschlossen, darunter Kirchen, Wohlfahrts-, Ärzte- und Sportverbände.

Mitte Oktober richtete das Amt das 4. Öffentliche Hearing zum Thema „Sexueller Kindesmissbrauch im Sport“ aus, bei dem die Kommission gemeinsam mit Betroffenen und weiteren Expertinnen und Experten aus Sport, Politik und Wissenschaft diskutierten. Hier zeigte sich, dass nicht nur die Kirchen von sexualisierter Gewalt betroffen sind. In verschiedenen weltanschaulichen Milieus wird der eigene Umgang mit diesem hochsensiblen Thema kritisch untersucht. Ende 2014 wurde etwa ein vom Bundesverband der „Grünen“ in Auftrag gegebener Bericht vorgelegt, der die zum Teil Pädophilie-freundliche Parteigeschichte aufgearbeitet hat. In einigen untersuchten Missbrauchsfällen sei laut dem Vorstand eine institutionelle Mitverantwortung der Grünen nicht auszuschließen, daher habe man individuelle Entschädigungen gezahlt. In der Odenwaldschule und anderen Einrichtungen wurden ebenfalls Missbrauchsfälle publik und haben eine gesellschaftliche Debatte darüber angestoßen, inwiefern die Reformpädagogik auch als „rhetorische Fassade für Pädokriminalität“ gedient habe.

Die evangelischen Kirche hat ebenfalls Vorfälle sexualisierter Gewalt zu beklagen. Deshalb wurden in allen Landeskirchen Missbrauchsbeauftrage eingesetzt und differenzierte Schutzkonzepte entwickelt. Im Juni 2020 haben die 20 evangelischen Landeskirchen auf ihrer Kirchenkonferenz einstimmig beschlossen, eine umfassende Aufarbeitungsstudie in Auftrag zu geben. Von einem unabhängigen Forschungsverbund sollen ab Oktober in mehreren Teilstudien Ursachen und Spezifika von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche untersucht werden.

In einer neuen Publikation wird anhand von Fallbeispielen aus buddhistischen Gemeinschaften verdeutlicht, dass auch in friedfertig und rücksichtsvoll geltenden Gemeinschaften sexualisierte Gewalt vorkommt. Die wissenschaftliche Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft gefördert wurde, kritisiert die Vermarktung buddhistischer Methoden als Selbsthilfeinstrumente für psychische Gesundheit. Durch psychologisierende Verfremdungen der Geistesschulungen und die Missachtung buddhistischer Ethik sowie fehlende fachliche Qualifikationen, würden die der buddhistischen Praxis innewohnenden spirituelle Heilungskräfte ins Gegenteil verkehrt. Zitate aus qualitativen Interviews mit Betroffenen belegen die zerstörerische Macht einer narzisstisch ausgebeuteten Schüler-Lehrer-Beziehung.   

Der Aufsatz ist in einem psychotherapeutischen Fachmagazin für Persönlichkeitsstörungen erschienen, das in seiner aktuellen Ausgabe das Thema „Glaube, Religion und Sekten“ behandelt (https://www.klett-cotta.de/ausgabe/PTT_-_Persoenlichkeitsstoerungen_Heft_03_September_2020/134156). Das Themenheft verdeutlicht, wie schmal der Grat zwischen dem Nutzen und Schaden religiöser Gemeinschaften ist.
        
Michael Utsch


Missbrauch in buddhistischen Gemeinschaften (Download pdf-Datei)

Ansprechpartner

Foto Dr. Michael UtschProf. Dr. phil. Michael Utsch
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin