Glauben hilft heilen – neue empirische Belege

Neue medizinische Studie bestätigt die Heilkraft religiösen Glaubens. Die Übersichtsarbeit kommt zu dem Ergebnis, dass bei schweren Erkrankungen die Einbeziehung der religiösen oder spirituellen Bedürfnisse der PatientInnen medizinisch geboten sei.

Michael Utsch

Ob Religion der Gesundheit dient oder doch eher schädlich ist, wird seit vielen Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Eine neue Übersichtsarbeit in der weltweit am weitesten verbreiteten medizinischen Fachzeitschrift, dem „Journal of the American Medical Association“ (JAMA) kommt zu einem klaren Ergebnis: dass die Einbeziehung der spirituellen Bedürfnisse sich auf den Heilungsverlauf positiv auswirken kann. Das Team um die Harvard-Onkologin Tracy Balboni hat aus 8946 empirischen Studien aus den Jahren 2000 bis April 2022 die methodisch besten ausgewählt und sie daraufhin untersucht, ob und wie dort religiöse und spirituelle Überzeugungen und Praktiken in die Behandlung einbezogen wurden und wie das den Heilungsverlauf beeinflusste. Die Forschergruppe stellte erstaunt fest, dass die Faktoren Religion und Spiritualität meist nicht systematisch berücksichtigt waren, obwohl die Forschung in den letzten Jahren immer deutlicher die Ressourcen positiver Spiritualität bei der Behandlung schwerer Erkrankungen herausgestellt hatte. Methodisch wurden bewährte und statistisch robuste Fragebögen zur Erfassung religiösen Bewältigungsverhaltens eingesetzt. In dem Review wurden auch negative Effekte von Glaubensüberzeugungen, spirituellen Krisen und einer dysfunktionalen religiösen Bewältigungsstrategie (Coping) berücksichtigt. Dieser Aspekt wird maßgeblich von Studien der deutschen Forschungsgruppe um Arndt Büssing (Witten/Herdecke) eingebracht, die zu religiösen Bedürfnissen und geistlicher Trockenheit (Durststrecken oder Krisen in der geistlichen Entwicklung) forscht.

Die drei wichtigsten Empfehlungen der Review-AutorInnen: 1) Bei einer schweren Erkrankung ist die Einbeziehung der religiösen oder spirituellen Bedürfnisse der PatientInnen medizinisch geboten. 2) In Weiterbildungen sollten die spirituellen Kompetenzen der interdisziplinären Behandlungsteams verbessert werden. 3) Spezielle Angebote von Seelsorge und Spiritual Care verbessern die Behandlung Schwerkranker.

Die dritte Empfehlung weist Seelsorgeangeboten einen wichtigen Platz im Gesundheitssystem zu. Ergänzend zu einer Beachtung der Sinnfragen (Spiritual Care), die mit einer schweren Erkrankung einhergehen, ist bei religiösen Patienten die Einbeziehung ihrer Glaubensüberzeugungen und -praxis durch seelsorgliche Angebote wichtig.

Michael Utsch

Quelle:

Balboni TA, VanderWeele TJ, Doan-Soares SD, Long KNG, Ferrell BR, Fitchett G, Koenig HG, Bain PA, Puchalski C, Steinhauser KE, Sulmasy DP, Koh HK. Spirituality in Serious Illness and Health. JAMA 328/2 (2022), 184-197. doi: 10.1001/jama.2022.11086. Kostenfreier Zugang unter https://projects.iq.harvard.edu/files/rshm/files/jama_balboni_2022_sc_220002_1660748706.29282_1.pdf

Ansprechpartner

Foto Dr. Michael UtschProf. Dr. phil. Michael Utsch
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
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