Fasten in Zeiten des Virus: Corona und Ramadan

Am Wochenende des 23./24. Mai endete mit dem Fest des Fastenbrechens Eid-al Fitr (auch bekannt als „Zuckerfest“) der diesjährige Ramadan. Wie zuvor das christliche Ostern und jüdische Pessach, so stand auch das muslimische Hochfest in diesem Jahr ganz im Zeichen des Coronavirus. Alexander Benatar mit einem Schlaglicht auf einen besonderen Fastenmonat.

Alexander Benatar
Zwei Koranseiten

Am Wochenende des 23./24. Mai endete mit dem Fest des Fastenbrechens Eid-al Fitr (auch bekannt als „Zuckerfest“) der diesjährige Ramadan. Wie zuvor das christliche Ostern und jüdische Pessach, so stand auch das muslimische Hochfest in diesem Jahr ganz im Zeichen des Coronavirus. Normalerweise stellt der Fastenmonat eine Zeit der Besinnung, der Familie, des Zusammenkommens dar, kurz: den Höhepunkt des muslimischen Glaubenskalenders und Gemeindelebens. Die Einhaltung des Fastenmonats ist für viele auch weniger religiöse Muslime ein elementarer Bestandteil ihrer Glaubenstradition, in seiner Bedeutung durchaus vergleichbar mit der christlichen Weihnachtszeit.

Ähnlich wie für die Gestaltung christlicher Gottesdienste zu Ostern sowie zuletzt zu Himmelfahrt und Pfingsten, bedeuteten die von der Regierung verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie auch für die Feier des Ramadans gewaltige Einschränkungen, denen die Moscheegemeinden mit Fantasie und viel Improvisationstalent begegnen mussten. Den Anfang März behördlich verordneten Hygieneregeln waren die deutschen Islamverbände mehrheitlich mit großem Verständnis begegnet und auch während des Ramadans bemühte man sich um einen möglichst verantwortungsbewussten Umgang mit dem Virus. Ein gewisses Problem stellte hierbei allerdings die Tatsache dar, dass anders als zuvor Ostern oder Pessach der Ramadan mit den ersten behördlichen Lockerungen korrelierte. Gerade zum Ende des Fastenmonats gelang es den Gläubigen nicht immer, die notwendigen und allen Menschen in Deutschland abverlangte „Coronadisziplin“ einzuhalten. Prominentester Fall waren wohl Feierlichkeiten anlässlich Eid al-Fitrs in Göttingen, bei denen mutmaßlich mehrere muslimische Großfamilien das Fastenbrechen im Hochhauskomplex „Iduna-Zentrum“ auf engem Wohnraum begingen. Mindestens eine teilnehmende Person hatte sich zuvor mit dem Coronavirus infiziert und wurde nun zu einem der berüchtigten „Superspreader“, die Dutzende andere Menschen anstecken. In der Folge mussten Lockerungen in ganz Göttingen wieder zurückgenommen werden, u.a. die Öffnung von Schwimmbädern und Schulen.

Abgesehen von diesem Fall jedoch gestalteten sich die coronabedingten Herausforderungen für das muslimische Gemeindeleben recht analog zu denjenigen, denen auch Kirchgemeinden in den letzten  Wochen und Monaten begegnen mussten. Das traditionell in Gemeinschaft gefeierte abendliche Fastenbrechen Iftar wurde so gut es eben geht durch Live-Videokonferenzen ersetzt oder zumindest ein „Iftar-to-Go“ angeboten, für Freitagspredigten etablierten sich Youtube- und Instagram-Livestreams und Angebote für muslimische Telefonseelsorge waren gefragt wie nie zuvor. Ähnlich wie vielen Kirchengemeinden bietet die Coronakrise also durchaus die Chance zu einem veritablen „Digitalisierungsschub“. Die vergangenen Wochen könnten sich außerdem auch als ein Katalysator für den Interreligiösen Dialog erweisen, gab es doch vielfach religionsübergreifende Initiativen für Nachbarschaftshilfe, einen von der Caritas organisierten „Iftar-Bringdienst“ oder Einladungen an Moscheegemeinden, ihre Freitagsgebete in Kirchen zu feiern, wo die vorgeschriebenen Abstandsregeln leichter einzuhalten sein würden. Vor allem letztere Kooperationen (wie auch das gemeinsame Kirchenläuten mit dem muslimischen Gebetsruf) wurden jedoch auch durchaus kontrovers diskutiert (vgl. NL-Beitrag von 04/2020). Eine besondere Unwägbarkeit stellt für viele Moscheegemeinden zuletzt der mit dem Aussetzen der Freitagsgebete gerade während des Ramadans drohende Einnahmenverlust in Form von Spenden der Gemeindemitglieder dar.

Alexander Benatar

Mehr zu den Chancen und Herausforderungen der Coronakrise für das muslimische Leben in Deutschland im EZW-Text „Corona und die Religionen“, der im Spätsommer erscheinen wird.

Ansprechpartner

Foto Dr. Alexander BenatarDr. phil. Alexander Benatar
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Auguststraße 80
10117 Berlin