Deutsche Islam Konferenz 5.0. Ein Islam der Muslime in Deutschland

Die fünfte Auflage der Deutschen Islam Konferenz nahm im Dezember 2022 ihre Arbeit auf. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Entsendung ausländischer Imame zu beenden und Muslimfeindlichkeit zu bekämpfen.

Rüdiger Braun

Als das zentrale Forum für den Dialog und die Kooperation zwischen dem Staat und den Musliminnen und Muslimen in Deutschland ist die Deutsche Islam Konferenz (DIK) am 7. Dezember 2022 in ihre neue Phase gestartet. Wie die dafür zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont, soll sie weiterhin dazu beitragen, „einen Islam der Muslime in Deutschland zu befördern, der als Teil der Gesellschaft akzeptiert wird und sich eigenständig auf der Grundlage unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfalten kann“ (Faeser 2022a). Die Basis für die fünfte Auflage der DIK legte ein im Mai 2022 geführtes Werkstattgespräch. Dabei wurden mit 40 Vertreterinnen und Vertretern von islamischen Dachverbänden und Organisationen der muslimischen Zivilgesellschaft drei zentrale islam- bzw. integrationsbezogene Themenfelder diskutiert: „Gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern“, „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verhindern“ und „Strukturen muslimischer Selbstorganisation stärken“. Das aus diesen Vorgesprächen entwickelte Arbeitsprogramm der DIK sieht vor, „Muslimfeindlichkeit entschlossen zu bekämpfen, die Teilhabe der Muslime und der muslimischen Gemeinden zu verbessern und Fortschritte zu machen bei der Imam-Ausbildung“ (Faeser 2022b).

Der Ausstieg aus der Imam-Entsendung aus dem Ausland markiert seit Beginn der im Jahr 2006 von Wolfgang Schäuble einberufenen und in der Abteilung „Migration, Integration, Flüchtlinge und Europäische Harmonisierung“ des BMI eingerichteten DIK I (2006-2009) eine zentrale, mit der Integration der Muslime in Deutschland verbundene Herausforderung. Schäuble wies der DIK seinerzeit die Aufgabe zu, „gemeinsam und im Dialog mit den in Deutschland lebenden Muslimen“ nach „Lösungen der Probleme des Zusammenlebens“ zu suchen (Schäuble 2009, 13). Nachdem sich die DIK II (2010-13) und die DIK III (2014-2017) vornehmlich auf sicherheitspolitische und regulative Maßnahmen zur Integration der Muslime beschränkten, setzte die DIK IV (2018–2021) in Anknüpfung an die DIK I (2006-2009) wieder programmatisch auf die Etablierung eines Islam, „der in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, die Werte unseres Grundgesetzes teilt und die Lebensarten dieses Landes achtet – einen Islam in, aus und für Deutschland, einen Islam der deutschen Muslime“ (Seehofer 2018). Im Ergebnis blieb aber auch die DIK IV auf primär religionspolitische Fragen wie die Imamausbildung beschränkt. Die Brisanz der Finanzierung und Entsendung muslimischer Imame aus dem Ausland war auch für Nancy Faeser Anlass genug, dem Thema einen Schwerpunkt im Arbeitsprogramm der fünften Auflage der DIK einzuräumen. Dabei darf ihre Rede vom „Islam der Muslime in Deutschland“ durchaus auch als ein Signal für eine Distanznahme gegenüber paternalistischen Bestrebungen zur Formung eines „deutschen Islam“ verstanden werden. Sie spricht vielmehr davon, dass weniger ausländische Abhängigkeiten oder Einflussnahmen es „deutschen Muslimen“ leichter machen, „mit ihrem Glauben in Deutschland heimisch zu sein“ (Faeser 2022b).

Einen über die früheren Auflagen der DIK hinausgehenden Akzent setzt Faeser mit dem zweiten Schwerpunkt des Arbeitsprogramms der DIK V, der Bekämpfung der Muslimfeindlichkeit. Damit richten sich die regulativen Maßnahmen der DIK nun nicht mehr nur an die muslimische Minderheit, sondern ebenso an die nichtmuslimische Mehrheit und den in ihr vermuteten systemischen (antimuslimischen) Rassismus: Die Muslime sind, so Faeser, diesem Rassismus oft in doppelter Weise ausgesetzt, insofern sie „Ablehnungen und Anfeindungen als Angehörige der islamischen Religion und oft auch als Menschen mit Einwanderungsgeschichte“ erfahren. „Dass Musliminnen und Muslime in Deutschland auf Grund ihrer Religion oder ihrer Herkunft diskriminiert werden, dürfen wir als Gesellschaft nicht akzeptieren!“ (Faeser 2022b).

Dem Abbau der Muslimfeindlichkeit, die in Deutschland laut einschlägiger Untersuchungen tatsächlich überproportional hoch ist, soll auch die Stärkung der Teilhabe von Muslimen an der Zivilgesellschaft dienen. Schon jetzt trägt die DIK mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen sowie mit der Etablierung islamischer Theologie an den Universitäten dazu bei, so Faeser, „dass Musliminnen und Muslime in Deutschland und ihre Religion ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft“ sind. Damit sendet die DIK zugleich „ein klares Zeichen an alle, die das nicht hören oder akzeptieren wollen“. Muslimisches Engagement müsse nur eben noch „sichtbarer“ gemacht und islamische Gemeinden „noch besser in der Gesellschaft“ verankert werden. Doch wird dieser sowohl an die Muslime als auch an die nichtmuslimische Zivilgesellschaft gerichtete Appell kaum den Streit darüber beenden können, wer denn die Interessen der Muslime in Deutschland nun vertreten sollte: die konservativen Dachverbände, liberale Moscheegemeinden oder auch säkulare Muslime? Die durch religionspolitische Maßnahmen noch beförderte Pluralisierung religiöser Autorität einerseits und die Individualisierung islamischer Glaubenslehren und -praxis andererseits hat die unterschiedlichsten Formen von Muslimsein entstehen lassen: Säkulare/nominelle „Kulturmuslime“ konkurrieren mit kritischen, progressiven, liberalen, reformorientierten, mystisch-sufischen, konvertierten, (neo)orthodoxen und traditionellen Muslimen um die Deutungshoheit über den „wahren“ Islam. All diese unterschiedlichen Formen von Muslimsein werden das Arbeitsprogramm der Neuauflage der DIK, insbesondere die staatliche Förderung der (Attraktivität der) Imamausbildung wenn nicht unmittelbar, so doch mittelbar mitbestimmen.

 

Quellen und Literatur

Faeser, Nancy (2022a): Rede zum Werkstattgespräch der DIK am 5. Mai 2022, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/reden/DE/2022/faeser-20220505-werkstattgespraech-dik.html (Abruf 03.01.2023).

Faeser, Nancy (2022b): Rede zur Deutschen Islam Konferenz am 7. Dezember 2022, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/reden/DE/2022/faeser-deutscheislamkonferenz2022.html (Abruf: 03.01.2023).

Fülling, Hanna (2019): Die Deutsche Islam Konferenz – Religion, Politik und Integration, in: ZRW 82,2 (2019), 45-53.

Schäuble, Wolfgang (2006): Muslime in Deutschland, FAZ vom 27.9.2006, www.wolfgang-schaeuble.de/wp-content/uploads/2015/04/060927faz.pdf  (Abruf: 03.01.2023).

Schäuble, Wolfgang (2009): Deutsche Islam Konferenz – Perspektiven für eine gemeinsame Zukunft, in: Deutsche Islam Konferenz (Hg.): Drei Jahre Deutsche Islam Konferenz (DIK) 2006 – 2009, Berlin, 12-21.

Seehofer, Horst (2018): Grundsatzrede zum Auftakt der 4. Deutschen Islam Konferenz, www.bmi.bund.de/SharedDocs/reden/DE/2018/11/rede-dik-20181128.html (Abruf: 03.01.2023).

Ansprechpartner

Foto Dr. Rüdiger BraunPD Dr. theol. Rüdiger Braun
Wissenschaftlicher Referent
Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
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