Mit Begeisterung lobt unser EZW-Referent Michael Utsch das Spezial-Heft der Herder Korrespondenz aus dem Herbst 2023. Insbesondere die prägnante Gestaltung, die anschaulichen Darstellungen und die äußerst fundierte Aufbereitung haben ihn beeindruckt. Dieses Heft verdient aus seiner Sicht eine klare Empfehlung als Lesetipp der EZW.
Glaubensvielfalt unter der Lupe
Auf dem Zeitschriftentitel ist eine Massenhochzeit der südkoreanischen Vereinigungskirche (früher Moon-Bewegung) abgebildet. Schaut man in das Inhaltverzeichnis, ist man nach dem altbackenen Titelbild über die Aktualität der Beiträge erstaunt: Thematisiert werden „Reichbürger“ und Corona-Leugner, Sondergruppen im Islam, die Anastastia-Bewegung und die Organische Christus-Generation, und sogar ein radikaler Vertreter des religiösen Zionismus‘ wird von einer modernen Rabbinerin überaus sachlich vorgestellt. Anschaulich beschrieben werden Freimaurer, Scientology, Jehovas Zeugen, Mormonen und die Neuapostolische Kirche. Während die zuletzt genannte Gruppe „auf dem Weg in die Ökumene“ sei, werden bei den anderen Unterschiede zum christlichen Glauben betont. Grundlagenartikel untersuchen „die neue Weltreligion“ esoterischer Strömungen. Das Verhältnis von Vernunft und Glaube wird ausgelotet, und für Offenheit gegenüber „alternativen Christentümern“ wird geworben – „vielleicht haben sie recht“? Ein Artikel porträtiert die „Katholische Integrierte Gemeinde“, die im letzten Jahr aufgelöst wurde. In einem hochinteressanten Streitgespräch diskutiert der Religionssoziologe Hans-Joachim Höhn mit dem Regionalvikar des Opus Dei über die notwendige Freiheit und Enge des Glaubens und den Reiz und die Grenzen von Gemeinschaften.
Im Fokus: Spirituelle Macht
Eine Besonderheit ist die Aufmerksamkeit für den Missbrauch geistlicher Autorität, der wegen seiner Aktualität aus mehreren Perspektiven beleuchtet wird. Dabei werden historische Brücken geschlagen und verdeutlicht, wie stark sich die Beziehungsdynamiken in den geschlossenen Gruppen der 1980er Jahre – damals „Jugendreligionen“ genannt – zu den neureligiösen Gruppen der Gegenwart ähneln. Graphisch aufgelockert wird das Heft durch verstreut abgebildete Tarot-Karten, die aber spielerisch -ästhetisch eingesetzt werden und dazu einladen sollen, dem Menschen die Deutungsmacht über sich selbst zurückzugeben.
Es mag eingewendet werden, dass Aufsätze über Migrationsgemeinden oder das Frauenbild in konservativen religiösen Gruppen fehlen, aber 64 Seiten bilden eine natürliche Grenze. Michael Utsch ist überzeugt: „Wer einen aktuellen und leicht lesbaren Einblick in die aktuelle weltanschauliche Lage sucht, wird hier fündig.“
Vielen Dank für die Lektüre dieses EZW-Kurzberichts in der aktualisierten Fassung vom 29.04.2024. Wenn Sie Themen wie diese interessieren, abonnieren Sie hier unseren Newsletter: